Die Höhlenbärenjagd auf der Schwäbischen Alb vor 30 000 Jahren
Der Fund eines Höhlenbärenwirbels mit Silexeinschluss aus dem Hohle Fels bei Schelklingen hat die Diskussion zur Nutzung und zur Jagd der Höhlenbären durch den paläolithischen Menschen neu eröffnet. Auf diesem Wirbel befinden sich zudem Schnittspuren, die belegen, dass der Bär tatsächlich auch erbeutet und zerlegt wurde. Eine Reihe weiterer Modifaktionen an Höhlenbärenknochen aus dem Hohle Fels und dem Geissenklösterle (Gemarkung Blaubeuren) belegen das Häuten, das Entfleischen, die Gewinnung von Knochenmark, sowie die Nutzung als Artefakte.
Nähere Informationen zur Jagd nach Höhlenbären
Während der Grabungskampagne 2000 wurde in der Knochenkohle- und Aschenlage der Schicht GH 3cf ein Brustwirbel von einem Höhlenbären gefunden. Beim Reinigen des Fundes wurde ein in den seitlichen Fortsatz (Processus transversus) eingebettetes kleines Silexbruchstück entdeckt. Der Wirbel stammt aus dem mittleren Bereich der Brustwirbelsäule (etwa 4.-9. Brustwirbel). Der Brustwirbel ist relativ klein, aber stammt von einem adulten Individuum, da alle Epiphysenfugen vollständig verwachsen sind. Streng genommen könnte es sich auch um einen Braunbären handeln. Morphologische Unterschiede zwischen den beiden Arten gibt es zwar im Bereich der Hals-, nicht aber der Brustwirbelsäule (Bürgl 1934). Neuerdings hat Weinstock (2000) versucht den Geschlechtsdimorphismus an den Extremitätenknochen des Höhlenbären (aus drei süddeutschen Höhlen) metrisch zu erfassen. Diese Untersuchung steht für den Hohle Fels und die anderen Höhlen im Achtal noch aus, aber die Arbeit zeigt, daß die Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern erheblich sind, und der Wirbel mit Einschuß aus dem Hohle Fels durchaus von einer Höhlenbärin stammen kann.
(Foto: Hilde Jensen)
Das Rohmaterial des Silexsplitters ist trotz seiner geringen Größe, eine Fläche von 1,5 mm x 2,0 mm ist von außen sichtbar, als Jurahornstein identifizierbar.Um festzustellen, wie groß der Silexsplitter ist, wie tief er in dem Wirbel steckt und in welchem Winkel er eingetreten ist, wurde der Wirbel im Zentralröntgen der Universitätsklinik Tübingen sowohl konventionell als auch im Computer-Tomografen geröntgt. Beim konventionellen Röntgen konnte der Umriß und die Größe nicht exakt abgegrenzt werden. Durch die Aufnahmen im Computer-Tomografen war es möglich, die Gesamtgröße des Silexsplitters mit maximal 5 mm Länge, 2 mm Breite und 2 mm Dicke zu bestimmen. Die Form des Silex ist etwa dreieckig und könnte eine kleine abgebrochene Spitze darstellen, aber auch ein Bruchstück eines rückenmesserartigen Einsatzes erscheint möglich.
Das Geschoß traf den Höhlenbären auf seiner rechten Flanke. Der Einschuß blieb stecken und das Geschoß brach ab. Wie viele Treffer notwendig waren um den Bären zu töten ist unbekannt, wir wissen nur, daß der Einschuß, den wir vor uns haben, sicher nicht tödlich war.
(Foto: Hilde Jensen, Maßstab in mm)
Jagdmethode oder wie ist der Silexsplitter in den Wirbel des Bären gelangt?
Schwierigkeiten bereitet die Frage, wie und wodurch der Silexsplitter in den Körper des Bären gelangt ist. Ausgeschlossen werden kann derzeit, daß es sich um das Bruchstück eines messerartigen Gerätes handelt, das beim Zerlegen des toten Bären ausgesplittert ist. Für diese Variante müßte eine Schnittspur erkennbar sein, die sich zum Loch zöge. Auszuschließen ist dies auch dadurch, dass der Winkel, in dem das Silexbruchstück unter der Kompakta des Knochens liegt, eine Zerlegung mittels einer Silexklinge nicht zuläßt. Tatsächlich gibt es Schnittspuren auf dem Wirbel, und zwar auf der lateralen Seite des Dornfortsatzes (Processus spinosus), die auf ein späteres Entfleischen der Wirbelsäule schließen lassen.
Der Silexsplitter ist durch eine Waffe in den Wirbel gelangt, der Eintrittswinkel spricht auf jeden Fall dafür. Das Eindringen eines Geschosses an dieser Stelle deutet auf einen versuchten „Blattschuß" hin, um die Lunge und andere innere Organe zu verletzen.
Fraglich bleibt aber, wie die Geschoßspitze genau ausgesehen hat. Grundsätzlich kommen hierfür
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ein Pfeil,
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eine Knochen-, oder Geweihgeschoßspitze mit Silexeinsätzen,
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eine Holzlanze (oder -speer) mit Silexeinsätzen oder
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eine leichte Lanze mit Silexspitze als Geschoßkopf
in Frage.
Nach dem derzeitigen Forschungsstand ist eine Pfeilspitze auszuschließen, da ein Vorhandensein von Pfeil und Bogen im Gravettien nicht belegt ist, von verschiedenen Autoren jedoch nicht ausgeschlossen wird (Cattelain 1994, Stodiek & Paulsen, 1996). Außerdem fehlen im Hohle Fels bisher typische Pfeilspitzen im Inventar.
Zwar gibt es viele Rückenmesser und -spitzen, die als Einsätze in Knochen- oder Geweihgeschoßspitzen in Frage kämen. Aber trotz zahlreicher Funde von Geschoßspitzen aus organischen Materialien (Knochen und Geweih) aus dem Hohle Fels, befindet sich bisher keine darunter, die eine Rille oder eine Kerbe hätte, um einen Silexeinsatz aufzunehmen. Solche Geschoßspitzen sind für das Magdalénien und nicht für das Gravettien belegt (Albrecht et al. 1972). In Holzspeere oder Holzlanzen, die sich in dem Sediment des Hohle Fels nicht erhalten können, wären allerdings solche Einsätze denkbar.
Größere Silexartefakte als Geschoßspitzen sind bislang aus dem Hohle Fels nicht bekannt. Es gibt Gravettespitzen, ein basales Fragment einer Font-Robert-Spitze und einige sonstige Spitzen, die grundsätzlich als Bewehrung einer leichten Stoßlanze oder eines Speeres in Frage kommen. Die Größe dieser Artefakte ist jedoch für die Jagd auf Großtiere wie Mammut, Nashorn, Pferd, Ren oder gar Bär, recht bescheiden.
Somit muß möglichen weiteren Funden künftiger Grabungen im Hohle Fels vorbehalten bleiben, diese Frage zu klären. Zum jetzigen Zeitpunkt kann lediglich festgehalten werden, daß der Silexsplitter in dem Bärenwirbel durch ein Projektil unbekannter Art in den Körper des Bären gelangt ist und die Verletzung für das Tier nicht tödlich, die Jagd aber letztendlich erfolgreich war, denn auf dem Dornfortsatz des Wirbels befinden sich Schnittspuren, die eine anschließende Zerlegung der Jagdbeute beweisen.